Vom Brandherd zum Modell

Italien ist zu einem der sichersten Urlaubsländer mutiert. Neuinfektionen sind unter Kontrolle, Strände, Museen und Restaurants geöffnet.

Natürlich wird man erst nach Ende der Pandemie urteilen können, welche Nation diese am besten bewältigt hat. Doch Eines kristallisiert sich in diesen Wochen heraus: Italien hält sich wacker unter der zweiten Infektionswelle, die so manchem EU-Nachbarn zu schaffen macht. Spanien, Frankreich und Deutschland liegen weit vorne im Anstieg. Während Deutschland angesichts der medizinischen Kapazitäten selbst den bis zu 1500 Neuinfektionen pro Tag gelassen entgegenblicken kann, hat Spanien mit 44.400 neuen Fällen in den letzten 14 Tagen nun erneut Restriktionen in den befallenen Regionen angekündigt. Gleichzeitig erlebt Osteuropa, allen voran Kroatien und Rumänien, anfangs verschont, nach Aufhebung der Reisesperre seine „erste Welle“.

Italien sticht aus diesem Panorama klar heraus. Die Neuinfektionen schwanken zwischen 200 und 500 Fällen täglich, der R-Faktor liegt bei 0,9. Im März starrte noch die ganze Welt auf das als erstes nach China von dem neuartigen Virus überrollte Land und seine zahlreichen Opfer.

Nicht grundlos lobte die New York Times Italien kürzlich als Modell für den post-Lockdown, als die Nation, die das Virus am besten im Griff hätte. Und das inmitten der Ferienzeit mit offenen Grenzen, gut gebuchten Badeorten und gut besetzten Restaurants. Möglicherweise wurden in keinem anderen Staat die Covid-19-Regeln so detailliert diskutiert und festgeschrieben. Rigoroses Fiebermessen vor allen öffentlichen Gebäuden und Maskenpflicht zeigen ihren Effekt. Jede Region überwacht die Fallzahlen mit Argusaugen. Sie sind bereit, – anders als im Februar, als wertvolle Zeit durch endlose Debatten zwischen Politikern, Ärzten und Industrie verloren ging – zu alten Restriktionen zurückzukehren, lokal oder im ganzen Territorium.

In Urlaubsregionen wie Sardinien werden wahrscheinlich die open-air-Diskotheken wieder geschlossen werden, nachdem sich das Virus wieder stärker unter der feiernden Jugend ausbreitet. Sizilien, Kampanien, Latium und Emilia Romagna haben Quarantänepflicht und Tests für Urlaubsrückkehrer aus Spanien, Malta, Kroatien und Griechenland angeordnet. Das schnelle Einschreiten der Regierung ist hier so entscheidend sowie contact tracing und Schnell-Test. Die Urlauber, die sich im Ausland infizierten, haben sich das Virus häufig in Bars und Diskotheken eingefangen, wo keiner Masken trug und den Sicherheitsabstand einhielt.

Gegen die Maskenpflicht demonstrierte im Mai noch zaghaft Lega-Chef Matteo Salvini mit einer Handvoll Anhänger im Schlepptau. Der Großteil der Bevölkerung sah sich jedoch vor, ihm in seinem Protest zu folgen, aus Angst vor den Folgen – oder aus Einsicht. Mittlerweile haben alle Bürger verstanden, dass der Mundschutz und Abstand ein effizientes Mittel gegen Ansteckung ist. Wenn man das akzeptiert und befolgt, kann man sich getrost am Strand sonnen, ins Meer springen, shoppen oder eine Pizza essen gehen.