Führungsspitze der Vatikanbank tritt zurück

Papst Franziskus’ Reformen der vatikanischen Finanzwelt kommen in Fahrt

(zenit.org) Der gestern bekanntgegebene Rücktritt des Generaldirektors der Vatikanbank IOR, Paolo Cipriani, und seines Stellvertreters Massimo Tulli hat nicht wirklich überrascht. Er kann als Folge der vom neuen Pontifex in die Wege geleiteten Reformen zur Läuterung und Transparenz der Vatikanfinanzen verstanden werden. Erst letzte Woche hat er eine unabhängige Kommission eingesetzt, die über das Geschäftsgebaren des IOR Informationen zusammentragen soll.

„Ziel ist, die Vatikanbank mit den Aufgaben der universalen Kirche und des Apostolischen Stuhls stärker zu harmonisieren“, hieß es in einer Vatikanerklärung. Kurz davor hatte Papst Franziskus ein Kardinalsgremium ins Leben gerufen, das eine umfassende Kurienreform erarbeiten soll. Damit zeichnet sich nach kaum mehr als 100 Arbeitstagen eine neue Regierungslinie im Vatikan ab. Die im Vorkonklave von den ausländischen Kardinälen geforderte „Brechung der italienischen Lobby“ scheint mit der Verabschiedung der Führungsspitze des von Skandalen erschütterten Geldinstituts einen Schritt näher gekommen.

Ob der Rücktritt ganz „aus freien Stücken zum Wohle der Interessen der Bank und des Vatikans“ geschah, wie der Kirchenstaat mitteilte, ist nicht ganz klar. Den beiden italienischen Direktoren wurde ausdrücklich für ihre Treue und gute Arbeit gedankt. Dennoch enthärtet das nicht völlig den Verdacht, dass ihnen die Kündigung durch den Papst selbst nahegelegt wurde.

Das Fass ist voll

Die jüngsten Schlagzeilen um den verhafteten Rechnungsprüfer der vatikanischen Güterverwaltung, Nunzio Scarano, haben auch auf die Vatikanbank erneut einen Schatten geworfen. Dem Prälaten wird Korruption, Betrug und Verleumdung vorgeworfen. Scarano soll einem früheren Geheimdienstmitarbeiter 400.000 Euro gezahlt haben, damit er 20 Millionen Euro Bargeld mit einem Privatflugzeug aus der Schweiz am Fiskus vorbei nach Italien bringt. Zwar wurde Scarano schon vor einem Monat vorsorglich vom Dienst suspendiert – als nämlich der Vatikan von den Ermittlungen erfuhr – und ein interne Untersuchung des Falles eingeleitet, doch scheint die Maßnahme nicht ausreichend, um offiziell Abstand von kriminellen Machenschaften einzelner Angestellter zu nehmen. Die Landespresse munkelt über den „vertraulichen Ton“ und die „häufigen Gespräche“ zwischen den Direktoren des IOR und dem Prälaten. Das hätten mitgeschnittene Telefonate an den Tag gelegt. Wenn auch weder gegen Cipriani noch Tulli in diesem Fall ermittelt wird, liegt der Image-Schaden des vatikanischen Geldinstituts in dieser angestrengten „Reinigungsphase“ auf der Hand. Scarano hat alle Anschuldigungen zurückgewiesen. Natürlich darf erst nach Abschluss der Gerichtsverhandlungen ein Urteil über dessen Rolle bei dem geplanten Geldschmuggel gefällt werden. Doch lässt allein der in Vatikankreisen kursierende Spitzname, „Monsignor 500“, zu denken geben. Der elegante Prälat hätte eine Vorliebe für 500 Euro-Noten, mit denen er auch große Summen bar zu bezahlen pflegte.

Cipriani hatte seit 2007 für die Bank gearbeitet, war aber bereits früher in die Skandale rund um das Institut verwickelt. Bisher hatte keiner der Pontifices es gewagt, den in der Finanzwelt hoch angesehenen Manager zu entfernen. „Seit 2010 arbeiten das IOR und sein Management hart dafür, Strukturen und Prozesse in Einklang mit den internationalen Anti-Geldwäsche-Richtlinien zu bringen“, erklärte gestern der erst zum Jahresanfang ernannte deutsche Präsident der Bank, Ernst von Freyberg. „Während wir dankbar sind für das, was erreicht wurde, ist klar, dass wir eine neue Führung brauchen, um das Tempo dieses Prozesses zu erhöhen.“ Der Fall Scarano mag also das Fass zum überlaufen gebracht haben. Von Freyberg wird bis zur Neubesetzung der Direktion die Aufgaben von Cipriani mitübernehmen. Der Auswahlprozess für einen Nachfolger laufe bereits.

Papst Franziskus stellt Existenzberechtigung des IOR in Frage

Mit dem kürzlich getätigten Ausspruch des Papstes „Petrus hatte auch kein Bankkonto“  schien die Lebensberechtigung des IOR erstmals grundsätzlich in Frage gestellt. Das von Pius XII. 1942 gegründete Geldinstitut, das kein Bankstatut hat, ist aus einer Art Verwaltungsstelle für das päpstliche Restvermögen und die Ausgleichszahlungen zurzeit der Zerschlagung des Kirchenstaates im 19. Jahrhundert hervorgegangen. Damals wurden die Kirchengüter und Ländereien des Patrimonium Petri von der jungen italienischen Monarchie konfisziert.

In den letzten vier Jahrzehnten hat sich das „Institut der religiösen Werke“, so sein eigentlicher Name, immer mehr von seiner eigentlichen Aufgabe, die Ersparnisse von Orden,  religiösen Instituten, Geistlichen und Kirchenmitarbeitern zu verwalten und zu mehren,  entfernt.

Als Bank eines autonomen Staates unterliegt der IOR keiner Kontrolle. Seit den Verstrickungen in den Skandal um den Banco Ambrosiano Ende der 70ziger Jahre, der Geldwäsche im Dienste der Mafia betrieben hat, ist gegen den IOR mehrfach der Vorwurf erhoben worden, ein „Offshore-Paradies mitten in Europa“ zu sein. Außerdem soll 1993 über ein geheimes Nummernkonto eine unerhörte Bestechungssumme bei der Fusion der Energiekonzerne Eni und Montedison (Enimont) geflossen sein. Bekannte Politiker wie der neulich verstorbene Giulio Andreotti hätten dort ihre „Gelder geheimer Provenienz versteckt“.

Seit 2010 „Purgatorium“ des IOR

Seit 2010 nun sind die Weichen auf Öffnung und Transparenz gestellt. Nach zunehmenden Druck der Öffentlichkeit unterzeichnete der Vatikan ein Währungsabkommen mit der EU, dass die Währungsvereinbarung aus dem Jahr 2000 erweitert. Darin verpflichtet sich der Vatikan die EU-Normen gegen Geldwäsche und Geldfälschungen zu applizieren. Benedikt XVI. hat zudem eine Kontrollbehörde ins Leben gerufen (AIF), die alle Finanztransaktionen der Vatikanstadt, der römischen Kurie und aller vom Heiligen Stuhl abhängigen Organisationen und Institutionen überwachen soll. Seit Anfang April 2011 kann im Vatikanstaat Geldwäsche mit Haftstrafen bis zu zwölf Jahren, Terrorfinanzierung mit bis zu 15 Jahren bestraft werden. Der Wunsch der Vatikanbank, von der Anti-Geldwäsche-Einheit Moneyval des Europarats als „blütenrein“ eingestuft zu werden, ist offenkundig. Im letzten Prüfbericht vom  Juli 2012 erhielt der IOR nur eine Teilabsolution.

Derzeit beschäftigt das Institut 114 Mitarbeiter und unterstützt die Vatikan-Bilanz mit 50 Millionen Euro. Das Bankvermögen wird auf 6 Milliarden Euro geschätzt, offizielle Angaben gibt es jedoch nicht.