Besser eine politische Lösung

Parolin: Militärischer Einsatz in Libyen nur unter UN-Ägide

Während die deutschsprachigen Medien ganz in den griechischen Schuldenstreit vertieft sind, richtet sich der Blick der Italiener besorgt gen Afrika. Die jüngsten IS-Gräueltaten in Libyen haben die Anspannung im Lande anwachsen lassen. Die beiden Staaten trennt ein eben mal 300 km schmaler Mittelmeerstreifen.

Die sunnitische Terrororganisation hat eine neue Machtbasis in dem vom Bürgerkrieg geschwächten nordafrikanischen Land aufgebaut. Mit der barbarischen Hinrichtung von 21 ägyptischen Christen und der direkten Verwarnung des italienischen Außenministers Paolo Gentiloni, der im Is-Radiosender als Kreuzzügler bezeichnet wurde, sehen die Italien die terroristische Bedrohung im eigenen Haus angekommen – und nicht mehr nur vor der Haustür. „Das Kalifat steht bereits im Süden Roms“, hieß es in der Is-Videobotschaft vom Sonntag. Düstere Visionen von terroristischen Anschlägen oder dass sogar eines Tages die schwarze Fahne des Dschihad auf Petersplatz wehen könnte, kursieren in der Presse wie in den Köpfen nicht weniger Bürger. Letztlich wird die Ermordung von unschuldigen Christen als eine direkte Attacke auf die gesamte Religionsgemeinschaft aufgefasst, als eine Aufforderung zum „Glaubenskrieg“.

Die Ereignisse in Libyen haben eine hitzige politische Debatte in Italien ausgelöst. Alle Beteiligten, angefangen vom Vatikan bis hin zu den verschiedenen Parteien, sind sich darin einig, dass die Regierung aktiv gegen den terroristischen Ableger des IS in Libyen einschreiten soll. Uneinigkeit herrscht über das Wie. Während die Opposition des rechten Zentrums einen sofortigen militärischen Einsatz verlangt, lehnt Premierminister Matteo Renzi einen solchen zunächst ab. Er wolle überhaupt nur nach Absprache der Staatengemeinschaft militärisch tätig werden.

Ägypten drängt die EU seit Tagen auf einen internationalen Militäreinsatz mit UN-Mandat. Seit Montagmorgen bombardiert ägyptische Luftwaffe vermeintliche IS-Stellungen in der Cyrenaika, im Südosten Libyens, wo die islamistische Miliz seit vergangenen Herbst die Kontrolle inne hat. Am heutigen Mittwochnachmittag ist eine erste UNO-Sondersitzung vorgesehen. „Sollte sich in dem Bürgerkrieg keine Entspannung abzeichnen, müssten die Vereinten Nationen mit konkreten Handlungen und Entscheidungen eingreifen“, sagte der UN-Beauftragte für Libyen, Bernardino Leon, gestern dem maltesischen Radiosender „One“. Mit einem schnellen Entschluss der UN ist allerdings nicht zu rechnen, meinen Nahostexperten. Für einen gemeinsamen Kriegseinsatz müsste auch die arabische Liga gewonnen werden, abgesehen von Russland und China.

Eine andere Linie vertritt der Vatikan. Staatssekretär Pietro Kardinal Parolin gibt diplomatischen Verhandlungen den Vorrang. Erst wenn diese ausgeschöpft seien, wäre eine militärische Intervention gerechtfertigt. „Gleich welcher bewaffneter Einsatz sollte dieser jedoch nur innerhalb der internationalen gesetzlichen Normen stattfinden und das heißt unter UN-Initiative.“ Prof. Andrea Riccardi, Experte für Religionskonflikte und Gründer von S. Egidio, plädiert ebenso für die Strategie des Verhandlungstisches. IS-Ableger seien in das Machtvakuum des reichen Erdölstaats vorgedrungen. Man müsse die beiden Konfliktparteien, die von der internationalen Gemeinschaft anerkannten, eher laizistische Regierung in Tobruk und die in Tripolis ansässige islamistische „Opposition“, die den Moslembrüdern nahe steht, zwingen, miteinander zu verhandeln, erklärt er gegenüber der katholischen Tageszeitung L‘avvenire. Riccardi räumte ein, dass die Situation auch wegen der in sich zerstrittenen Stämmen, aus denen sich die 6 Millionen libyschen Bürger zusammensetzen, nicht leicht sei.

Papst Franziskus hat in der heutigen Generalaudienz seine Hoffnung auf eine politische friedliche Lösung des Konflikts geäußert. Er unterstützt den apostolischen Nuntius Monsignor Giovanni Innocenzo Martinelli in seinem Wunsch den wenige vor Ort gebliebenen Glaubensbrüdern zurseite zu stehen. Es befinden sich heute nur noch weniger als 300 Christen in Libyen, ein schwacher Abglanz der ursprünglich 150.000 Christen zurzeit von Diktator Muammar al-Gaddafis. Auch der Nuntius wurde persönlich in seiner Kirche in Tripolis von terroristischen Milizen bedroht.

Die hohe Zahl an Ausländern, schätzungsweise 600.000, erklärt sich durch die reiche Öl-und Gaswirtschaft. Nun sollen sich laut des italienischen Geheimdienstes angeblich 200.000 von ihnen in Sammellagern an der Küste zur Abfahrt bereit befinden. Die Grenzen zu Ägypten werden teilweise von IS-Kämpfern patrouilliert, während die Tunesier aus Angst vor terroristischen Infiltrationen ihre Grenzen so gut wie geschlossen haben. Es bleibt also als Fluchtweg nur das Meer. Auf Italien kommt damit zusätzlich eine Flüchtlingswelle großen Ausmaßes zu, die der krisengeschüttelte Süden des Landes kaum verkraften kann. Es mangelt an Aufnahmestrukturen. Schon seit Anfang Januar hat sich gegenüber dem Vorjahr die Anzahl der geretteten Flüchtlinge mehr als verdoppelt. Hingegen unbekannt ist die Zahl der auf der Überfahrt Ertrunkenen und Erfrorenen. Für die rechte Oppositionspartei der Lega Nord ist die befürchtete Ausländer-Welle und die erhöhte Gefahr der Infiltration von Terroristen ein berechtigter Anlass, die Grenzen ganz zu schließen.