Lateinische Schmankerl

Radiosendung von Ulrich Nersinger über die Polizeitruppen des Papstes – auf Latein

Der beliebte Buchautor und Vatikanexperte Ulrich Nersinger plaudert mal wieder aus dem „Nähkästchen“, aus dem wenig bekannten Alltag und Innenleben des Vatikans. Diesmal berichtet er über das päpstliche Gendarmeriekorps mit ihren zwei jungen Anti-Terror-Sondereinheiten. Die knapp 200 Mann starke Truppe agiert still und ohne Aufsehen. Auf dem Petersplatz wird sie mit ihren modernen blauen Uniformen neben der farbenprächtigen Schweizer Garde kaum vom Besucher wahrgenommen. Dennoch obliegen ihr wichtigste Ordnungs-und Sicherheitsaufgaben.

 

Gendarmeria Vaticana Foto:gettyimages.it
Gendarmeria Vaticana Foto:gettyimages.it

Nersinger bietet diesmal jedoch einen Zusatzservice besonderer Art: eine Radiosendung auf Latein! Radiovatikan sendete den Beitrag am gestrigen Dienstag in der Sprache Ciceros, vorgetragen von einer Sprecherin. Um die Strapazierfähigkeit der Leserschaft nicht unnötig auf die Probe zu stellen, ist auch eine schriftliche deutsche Version auf der Webseite des päpstlichen Senders publiziert. Das Hörprogramm ist in der Rubrik „Nuntii Latini“ als Podcast abrufbar. Seit vielen Jahren werden darin wöchentlich Nachrichten in lateinischer Sprache herausgegeben.

 

Übersetzer des Nersinger-Essays ist Gero P. Weishaupt, der in dem Untertitel nicht als Pater, sondern scherzend als „pius“, als „gewissenhaft“ gelobt und vorgestellt wird. Der Diözesanrichter am erzbischöflichen Offizialat von Köln spricht fließend Latein und übersetzt regelmäßig für Radiovatikan. Man könnte meinen, dass moderne Begriffe wie „kugelsichere Weste“ oder „Elektroauto“ den Pater in Verlegenheit bringen. Doch hat dahingehend das „Lexicon Recentis Latinitatis“ mit 15.000 neuen lateinischen Wortschöpfungen Abhilfe geschaffen. Für annähernd jede Lebenslage der Moderne hat sie eine passende Wendung bereit: „thoracibus glandibus propulsandis tectae“ beschreibt den kugelabwehrenden „Brustpanzer“ und „autocinetum electricum“ das Fahrzeug. Lateinfetischisten wehren sich dagegen, dass die antike, heute nicht mehr gebräuchliche Sprache, für tot erklärt wird. So manche Wortkreierungen verleiten allerdings zum Schmunzeln.

 

Das Vokabularium wird vor allem im vatikanischen Staatssekretariat benutzt. Denn Latein ist immer noch die offizielle Amtssprache des kleinsten Staates der Welt. Die lateinische Abteilung der Kurie ist mit acht Übersetzern eine der größten Sprachsektionen der Behörde. Alle öffentlichen Verlautbarungen und z.B. auch Urteile des Kirchengerichts werden in Latein herausgegeben. Daneben werden Enzyklika des Papstes übersetzt.

 

Latein war einst auch die gesprochene Sprache der Literatur und Wissenschaften, da die Wiege der europäischen Kultur nun einmal das Alte Rom ist. Bis ins 19. Jahrhundert wurden die Vorlesungen an den Universitäten in ganz Europa auf Latein gehalten und die Gelehrten disputierten in Latein. Nach dem Zweiten Weltkrieg zeichnete sich ein Niedergang ab, angefangen in den Schulen. Die Einführung der Landessprache durch die Liturgiereform unter Paul VI. im Jahr 1969 hat die Pflege des Lateinischen sicherlich weiterhin vernachlässigen lassen. Obwohl Latein neben Hebräisch und Griechisch weiterhin das Rüstzeug des Theologen sind, ist es innerhalb des heutigen Klerus mit den Kenntnissen des gesprochenen Lateins nicht mehr allzu weit her. Das zeigte nicht zuletzt die verzögerte Reaktion der Kardinäle auf die in Latein gehaltene, völlig unerwartete Rücktrittserklärung von Benedikt XVI.

 

Das gesprochene Latein außerhalb des Vatikans und der Gottesdienstes hatte vielleicht seine letzte große Bastion in der päpstlichen Universität Gregoriana. Aber auch diese hatte sich der gesellschaftlichen Entwicklung anpassen müssen. An der von Jesuiten geleiteten Hochschule wurde die Unterrichtssprache im Fach Kirchenrecht 1988 vom Lateinischen ins Italienische umgestellt.

 

Benedikt XVI., ein ausgezeichneter Altphilologe, hatte versucht, mit einer Wiederzulassung des Lateinischen im Gottesdienst, die vergessene Sprache wieder zu beleben. Sie ist jedoch eine Nische geblieben. Noch kurz vor seinem Rücktritt gründete er die „Pontificia Academia Latinitatis“, die mit einer „Hebung des reichen und vielfältigen Erbes der lateinischen Kultur“ dem endgültigen Niedergang entgegen wirken sollte. Sie soll zur Vertiefung des Lateinstudiums anregen und fördert das gesprochene Latein.

 

Von einem Niedergang wollen die Radiovatikan-Redakteure allerdings nichts wissen. Die wöchentliche lateinische Nachrichtenrubrik „Nuntii Latini“ soll sich nach ihrer Auskunft großer Beliebtheit erfreuen und einen stolzen Leserkreis besitzen, und zwar nicht nur von verstaubten Lateinlehrern. Noch ein Hinweis für Lateinliebhaber: 2001 hat Radio Bremen, die Tradition des Papstsenders aufgreifend, eine Latein-Redaktion gegründet. Es ist bisher die einzige Initiative dieser Art in Deutschland. Einmal pro Woche, immer freitags, informieren die „Nuntii Latini Septimanales“ über das Geschehen der abgelaufenen Woche. Sie behandeln vorwiegend weltliche, nicht-kirchliche Themen.

 

Radiosendung auf Latein: http://de.radiovaticana.va/news/2015/01/27/die_vatikan-gendarmerie_auf_latein_mit_audio/1119145

Artikel auf Deutsch: http://de.radiovaticana.va/news/2015/01/27/vatikan_die_gendarmen_des_papstes/1119146