Die Tore zum Business-Paradies

Italienischer Unternehmer vererbt der Kirche 1,7 Milliarden

(Vaticanista) Als letzte Woche das Testament von Michelangelo Manini eröffnet wurde, muss Kardinal Carlo Caffarra schier der Schlag getroffen haben. Ausgerechnet sein Erzbistum von Bologna soll alleiniger Erbe des Hauptaktionärs der multinationalen Gruppe FAAC sein! Geschätztes Vermögen: 1,7 Milliarden Euro. Wie die Kirche zu diesem Geldsegen kommt, konnte sich keiner der Anwesenden zunächst erklären. Der Wunsch, Familienbesitz und Geschäftsleitung der Kirche nach dem Ableben anzuvertrauen, hat Manini zwanzig Jahre lang als Geheimnis gehütet, gut verschlossen in seinem handgeschriebenen Testament, das ein befreundeter Notar aufbewahrte. Erst als der gerade fünfzigjährige Firmenchef am 17. März an einem Krebsleiden verstarb, wurde das Geheimnis gelüftet. Und die Nachricht schlug wie eine Bombe ein!

Werbespot FAAC Foto: 100news.it

Nicht, dass die Tatsache allein einer Kirchenerbschaft in Staunen versetzen würde. Nicht selten hinterlassen heute noch in Italien alleinstehende Gläubige ihre Häuser und Ersparnisse der Kirche oder karitativen Organisationen. Abgesehen von der gewaltigen Höhe der Summe, die in der Geschichte Ihresgleichen sucht, dürfte ein weiterer Umstand den Kardinal haben erzittern lassen: Die geerbten 66 Prozent Firmenanteile machen schließlich das Bistum zum Entscheidungsträger im Vorstand des Konzerns. Ein Kardinal an der Spitze einer multinationalen Gruppe! Die Fassungslosigkeit der Kurie rührte aber noch aus einem anderen Punkt. Niemand in der Gemeinde kannte diesen Signor Manini persönlich! Der ein zurückgezogenes Leben führende Milliardär war weder als Kirchgänger noch durch Spenden oder andere Wohltätigkeiten in der Vergangenheit aufgefallen.

Die Erbschaft ist kein geschenkter Gaul. Um die Bilanz des Unternehmens muss sich die Kirche in nächster Zeit nicht sorgen. Die Geschäfte laufen bestens. FAAC ist weltweit führenden Hersteller von automatischen Torantrieben mit einem Jahresumsatz von 214 Millionen Euro (2011). Vater Giuseppe hatte das 1965 gegründete Familienunternehmen mit der Erfindung von hydraulisch betriebenen Einfahrts- und Garagentoren zum Erfolg geführt. Der Boom kam 1993 mit dem patentierten Telepass für die italienischen Autobahn-Mautstellen. Derzeit verfügt die Firma tausend Mitarbeiter und hat Niederlassungen in zwölf Ländern, darunter in China. Historischer Hauptsitz liegt in Zola Predosa bei Bologna.

Offenbar erholte sich der Purpurträger schnell von der Nachricht. Die Antwort folgte unverzüglich in einem Kommuniqué:  „Die Kirche von Bologna wird diese Güter unter strikter Einhaltung der staatlichen Gesetze und nach den Normen des kanonischen Rechts, der jahrhundertelangen praktizierten Fürsorge gegenüber den Bedürftigen sowie nach dem evangelischen Gebot der Nächstenliebe nutzen.“  Natürlich kann der Erzbischof nicht persönlich die Präsidentschaft übernehmen. Als Nachfolger von Michelangelo Manini bestimmte die Kurie Anwalt Andrea Moschetti, den langjährigen Vertrauensmann und Rechtsberater des Erzbistums.

Michelangelo Manini Foto: 100news.it

Selbst Geschäftsleiter Andrea Marcellan ahnte nichts von dem letzten Wunsch Maninis:  “Wir sind über die Ereignisse äußerst erstaunt. Wir haben weder diesen neuen Gesellschafter erwartet, noch wussten wir, dass der gesundheitliche Zustand des Besitzers so kritisch war,“ gestand er am Dienstag der Presse. Am Tag zuvor hatte sich der neue Vorstand geschwind zu einer ersten Sitzung in Bologna zusammen gefunden, um die Geschäftslinie abzusprechen.

Als die französische Firma Somfy, mit 34 Prozent Minderheitsaktionär, von den neuen Besitzverhältnissen erfuhr, unterbreiteten sie sofort ein Angebot, die Anteile der Kurie zu übernehmen. Ihre Hoffnung, die im Business unerfahrenen Priester von der Last der Verantwortung abbringen lassen zu können, zerschlug sich jäh. Zum Erstaunen der französischen Manager lehnte die Kurie die gebotenen 1,1 Milliarden ab. „Kommt nicht in Frage. Wir werden den Wunsch von Michelangelo Manini respektieren und das Aktionspaket so unangetastet lassen, wie wir es übernommen haben, “ bekräftigte Bistumsverwalter und Finanzexperte Monsignore Gianluigi Nuvoli. Eine Übernahme durch Somfy hätte eine Verlegung des Hauptsitzes nach Frankreich zur Folge gehabt. Hier ein klares Nein der Kurie: “Das Hauptwerk bleibt in Zola Predosa, die Arbeitsplätze der 200 Angestellten bleiben garantiert. Für uns haben Arbeitsplatzsicherung und Arbeitsethik Priorität.” In Zeiten der schweren Wirtschaftskrise, die die Arbeitslosenquote auf 9,3 Prozent hochschnellen ließ und das Prekariat auf die Hälfte der jungen Arbeitnehmer ausdehnte, ist diese Nachricht so beruhigend wie selten.

Eine genauer Inventar des Vermächtnisses wird erst in diesen Tagen aufgestellt. Zu den Firmenbeteiligungen gesellen sich Immobilien und Bankkonten des Verstorbenen. Erst dann soll ein erster Plan für die Verwendung des Vermögens vorgelegt werden. „Das Geld wird nicht an den Klerus verteilt”, versichert der Monsignore, „sondern an Kultorte und an karitative Einrichtungen“. „Es wird vor allem für die Verbreitung des Evangeliums verwendet werden, und das in jeglicher Hinsicht, auch in indirektem Sinn wie für die Restaurierung von Kirchenbauten, wodurch auch neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Darüber hinaus werden wir den Armen helfen, wie wir stets getan haben.“

Wenn auch die Beweggründe des Unternehmers, die zu diesem außerordentlichen Testament geführt haben, nicht im Einzelnen bekannt sind, so mag er sicherlich in der Kirche einen zuverlässigen Vollstrecker seines testamentarischen Wunsches, die Geschäfte in seinem Sinne weiterzuführen, gefunden haben. Michelangelo Manini hatte keine Nachkommen, er selbst war Einzelkind. Jedoch werden ihn nicht nur der Mangel an geeigneten Erben zu diesem Entschluss geführt haben. Sein Anliegen war zweifellos, das vom Vater aufgebaute Imperium nicht zerstückeln zu lassen und die Arbeitsplätze zu bewahren. Der Milliardär gehörte nie dem italienischen Jetset an, Luxus hat ihn nicht sonderlich interessiert. Die Gewissheit, dass die erwirtschafteten Familienreichtümer einen guten Zweck gefunden haben, wird ihn beruhigt diese Erde verlassen haben lassen. In Bologna munkelt man, dass sich ihm für dieses Werk die Tore zum Paradies automatisch öffnen werden…!