Eng und steil war die via Cornelia, die vom lehmigen Tiberufer hoch auf den vatikanischen Hügel führte. Wollten die ersten christlichen Pilger das Petrusgrab besuchen, mussten sie diesen unwirtlichen Weg nehmen. Je weiter sie sich vom Fluss entfernten, desto ärmlicher wurden die Gräber.
Die vornehmen Patrizier hingegen besaßen ihre prächtigen Grabmonumente unten an der eleganten via Triumphalis. Die auffallendsten Grabbauten waren sicherlich die Meta Romuli, eine riesige Grabpyramide, die noch bis in die Renaissance existierte, und das benachbarte Mausoleum des Kaisers Hadrian, die heutige Engelsburg.
Wir befinden uns außerhalb des Pomerium, den heiligen Stadtgrenzen von Rom. Auf dieser Seite des Tibers, dem ager Vaticanus, gab es in der Kaiserzeit keine Wohnbebauung. Stattdessen lagen hier vereinzelt Privatgärten der Patrizier und vor allem die Friedhöfe. Da Bestattungen innerhalb der Mauern verboten waren, trugen die antiken Römer ihre Toten aus der Stadt und setzten sie an den Konsularstraßen bei. Die reichen Staatsbeamten hatte entsprechend repräsentative Grabbauten entlang der gepflasterten Ausfallstraßen, während dem mittellosen Bürger nur der Erwerb eines Grundstücks abseits der Straße und weit weg vom Stadttor blieb. Die Standesunterschiede der antiken Gesellschaft lebte auch in diesen Totenstädten (nekrós Toter und polis Stadt), wie die Römer ihre Friedhöfe nannten, fort.
Die Nekropole an der via Cornelia gehörte in der frühen Kaiserzeit zu den Bestattungsplätzen der römischen Unter- und Mittelschicht. Das Sträßchen zweigt kurz nach der Tiberbrücke (Pons Neronianus) von der via Triumphalis ab und verläuft parallel zur heutigen Via della Conciliazione. Hier haben Angehörige der Plebs, Handwerker, Barbiere, Ölverkäufer ihre letzte Ruhestätte gefunden. Auffallend viele liberti, freigelassene Sklaven, sind unter ihnen, die sich bemühten, ihren Stolz über die frisch erworbenen Bürgerrechte und den gesellschaftlichen Aufstieg mittels besonders aufwendiger Grabbauten Ausdruck zu verleihen. Bevor sich gegen Ende des 2. Jahrhunderts die Körperbestattung in Sarkophagen durchsetzte, die in oberirdischen Grabhäusern aufgestellt wurden, war die Kremation und Urnenbeisetzung in Kolumbarien vorherrschend. Nur die jüdische Gemeinde hielt von jeher an ihrem uralten Brauchtum der Erdbestattung fest.
Ein solch schlichtes jüdisch-christliches Erdgrab wird die Krypta des Apostelfürsten gewesen sein. Petrus soll zusammen mit ein paar Dutzend Glaubensbrüdern das Martyrium in dem an die via Cornelia grenzenden Circus des Nero (64 oder 67 n. Chr.) erlitten haben. Seine Anhänger brachten den geschundenen Leichnam auf nahe und damals noch kleine Gräberfeld am westlichen Abhang des Vatikanischen Hügels. Wahrscheinlich hatten sie die kaiserliche Genehmigung dazu erhalten.
Das Tropaion des Gaius
Etwa hundert Jahre später gedachten die Christen, das schmucklose Märtyrergrab auszugestalten und für die Nachwelt zu erhalten. Zum Schutz vor nachrutschender Erde des Abhanges wurde um 160 n. Chr. eine leuchtend rot verputzte Mauer errichtet. Diese Mauer ist noch heute intakt. Die in den Wandputz geritzte Graffiti sind greifbare Zeugnisse der Präsenz von frühchristlichen Pilgern. Höchst interessant ist ein griechisches Inschriftenfragment „Petros Eni“, das in einem leeren Ossarium in der Mauer entdeckt wurde. Griechisch war wohlgemerkt die Sprache der urchristlichen Gemeinde in der westlichen Diaspora. Die Inschrift wurde von der Epigraphikerin Margherita Guarducci zu „Petros en estin“, das heißt „Petrus ist hier“ ergänzt.
An diese Mauer lehnt eine zweistöckige Ädikula mit Giebel, getragen von schlanken Marmorsäulen. Sie markiert vermutlich die Stelle, in der einst die Gebeine Petri im nackten Boden vergraben waren. Eusebius von Caesarea zitiert den Presbyter Gaius aus dem 2. Jahrhundert, der behauptet, dass man am mons Vaticanus das „Tropaion des Petrus“ sehen kann (Kirchengeschichte II 25, 6-7). Tropaia sind Siegeszeichen im Sinne einer Grab oder Gedenkstätte. Zusammen mit den Graffiti liefert diese Textstelle den literarischen Beweis, dass spätestens seit dem 2. Jahrhundert die besagte Verehrungsstätte unter christlichen Pilgern bekannt war und reichlich besucht wurde. Während der Verfolgungszeit wurden rings herum weitere Bestattungen von Heiden und Christen angelegt, nie jedoch der 7×4 m große Platz vor der Ädikula überbaut. Dieser blieb stets ausgespart, das heißt, er wurde als christliche Sakralstätte allgemein respektiert.
Konstantinische Basilika
Als Konstantin d. Gr. nach dem Mailänder Toleranzedikt von 313 den christlichen Kult persönlich förderte und eine erste Basilika 324 in Auftrag gab, scheute man keine baulichen Umstände, damit das Grab in der Mitte des Chores lag. Dafür musste der Hügel angeschnitten werden, eine Kyklopenarbeit: die unteren Gräber wurden zugeschüttet, während die höher gelegenen abgetragen wurden. Damit nicht genug, wurde tonnenweise Erdreich zur Fundamentabstützung der über 100 m lange fünfschiffigen Basilika angekarrt. Man hat auf die übliche Ostausrichtung der Kirche verzichten müssen und die Apsis stattdessen gewestet, damit diese zum Petrusgrab zeigte. Konstantin ließ ferner die rote Mauer samt Ädikula in ein kostbares Mausoleum aus Marmor einfassen (memoria constantiniana). Es sollte im erhöhten Chor der Grabeskirche eine umschreitbare Andachtsstätte werden. Im 6. Jahrhundert verschwand schließlich der konstantinische Schrein unter einem bombastischen Altaraufbau.
Die heutige Basilika und der geheimnisvolle Fund
Der Zugang zum Aposteloratorium änderte sich vollends mit dem Neubau des Petersdoms im 16. Jahrhundert. Da die neue Kirche aus statischen Gründen höher gelegt werden musste, rückte das Oratorium noch tiefer, nämlich unter das Niveau der Grotten. Im Gegenzug dachte man sich die 133 m hohe Kuppel als sichtbare wie festliche Bekrönung des Grabes. Tatsächlich hatte Michelangelos komplizierte Messungen mit einem Lot durchgeführt, um zu gewährleisten, dass der Zenit der 43 m Durchmesser großen Kuppel exakt über der Ruhestätte des Apostelfürsten liegt. Heute markiert die mit dem goldenen Christusmosaik verzierten Palliennische in der Confessio die Stelle über dem Oratorium. Die eigentliche Ädikula jedoch sieht der moderne Besucher nur, wenn er 11 m tief zur vatikanischen Nekropole herabsteigt.
Dass sich ein Friedhof unter der Basilika verbirgt, ist erst seit 1940 Gewissheit, als man zufällig bei dem Eintiefen der Grablege für Pius XI. auf ältere Reste stieß. Zuvor wagte man auch aus Gründen der Statik nicht, unter dem Monumentalbau zu graben. Zutage kamen in einer zehnjährigen Grabungskampagne unter der Leitung von Ludwig Kaas (1881 – 1952) nicht nur ein Abschnitt der via Cornelia und 22 Mausoleen mit ägyptischen, christlichen und heidnischen Bestattungen. Es wurde auch das Tropaion, die Ädikula mit der roten Mauer aus dem 2. Jahrhundert unter all den späteren Umbauungen herausgeschält.
1953 machte man einen Aufsehen erregenden Knochenfund. Allerdings lagen Skelettreste nicht wie erhofft in der Erde, sondern waren in der Mauer eingelassen. Die vatikanischen Archäologen, allen voran Margherita Guarducci, sind davon überzeugt, dass es sich um die sterblichen Überreste Petri handelt. Zum Abschluss des Pilgerjahres 1950 verkündete damals Papst Pacelli stolz das Ergebnis der vatikanischen Forschergruppe: Es sei zweifellos das Apostelgrab gefunden worden. Diese Gebeine sind heute in einem gläsernen Schrein gebettet und an der Fundstelle in der Mauer ausgestellt.
Die Identifizierung der Gebeine ist allerdings in Fachkreisen nicht ganz unumstritten. So hat der angesehene Anthropologe Venerando Correnti die Knochen drei verschiedenen Menschen und nicht einem einzigen zugewiesen. Einige Indizien sprechen für eine Umbettung der Apostelreliquien während der Verfolgungszeit in die Katakomben des Heiligen Sebastians an der Via Appia. Auch wenn diese Frage vielleicht nie restlos geklärt werden kann, darf dennoch übereinstimmend festgehalten werden, dass das Oratorium unter der Peterskirche zumindest der Ort einer uralten und kontinuierlichen Verehrung als Petrus-Grab ist.
Die Besichtigung der Nekropole ist unbedingt empfehlenswert bei einem Rombesuch. Es wird nicht nur die Verehrungsstätte des Apostelfürsten gezeigt, sondern es werden auch anhand der anderen Gräber die damals unterschiedlichsten Grabkulte und Religionen erläutert, die scheinbar friedlich nebeneinander existierten – zumindest in den Totenstädten. Erhaltene Inschriften und Grabbeigaben erlauben sogar prosopographische Studien zu einzelnen heidnischen wie christlichen Familien im antiken Rom.
Die Nekropole ist nur mit einer Führung zu besichtigen, die vom vatikanischen Grabungsbüro (Ufficio Scavi) organisiert wird. Da wegen der Enge des Ausgrabungsgeländes nur kleine Besuchergruppen zugelassen sind, sollte man sich rechtzeitig anmelden. Anmeldung per e-Mail: scavi@fsp.va oder per Fax +39 06 69873017.