Manchmal gibt es auch ein Happy End

Die Kirche im Kampf gegen die kalabresische Mafia

ROM, 24. Mai 2010 (ZENIT.org).- Anfang Januar gingen Bilder von den blutigen Krawallen nach einem Aufstand der farbigen Plantagenarbeiter in Südkalabrien durch die Weltpresse. Die von der lokalen Mafia, der ‚Ndrangheta, ausgebeuteten Afrikaner lehnten sich erstmals gegen die Schutzzölle und die unmenschlichen Arbeits- und Wohnverhältnisse auf. Schauplatz der Straßenschlachten war das kleine Städtchen Rosarno, wo nahezu 5000 Ausländer leben.(ZENIT berichtete)

Quelle: http://www.repubblica.it/

Die erste Reaktion der italienischen Regierung war die Ausweisung von Afrikanern ohne gültige Aufenthaltsgenehmigung, die Räumung der abusiven Wohncamps und die Umsiedlung von Erntearbeitern in andere Sammellager. Es sah anfangs so aus, als würde der Arm des Gesetzes nur die Ausgebeuteten treffen. Doch dabei blieb es diesmal nicht. In den vergangenen Wochen wurden in einer groß angelegten Razzia rund 50 Personen festgenommen, die der Erpressung, Misshandlung, Förderung von Schwarzarbeit und Steuerhinterziehung angeklagt sind. Darunter befinden sich zahlreiche „angesehene“ Landbesitzer und berüchtigte Vorarbeiter, die von den Tagelöhnern eine „Aufenthaltssteuer“ und „Transfergeld“ für die Fahrten zu den Feldern abkassierten. Insgesamt wurden 20 Landwirtschaftsbetriebe und 200 Gelände und Felder in einem Wert von 10 Mio Euro beschlagnahmt.

Die Durchsetzung des Rechtsstaates mag aus deutscher Sicht selbstverständlich sein. Aus italienischer ist sie es nur bedingt, wurde doch die von verschiedenen Clans kontrollierte abgeschiedenen süditalienische Region seit jeher als gesetzliches Niemandsland betrachtet. Oder anders ausgedrückt, der Staat fühlte sich gegenüber den Familien der ‚Ndrangheta machtlos, die seit Generationen die Fäden in der Politik und Wirtschaft des unterentwickelten Kalabrien ziehen. Die mächtigen Clans treten auch als Großgrundbesitzer auf und stehen an der Spitze eines archaischen Systems, das mit der gezielten Vergabe von Arbeit und Gefallen ein dichtes Netz von Abhängigkeiten und Gewalt schafft. In diesem System nehmen die zahlreichen afrikanischen Immigranten den untersten Rang ein.

Nun zum Happy End.

Drei afrikanische Erntearbeiter, die bei den Aufständen im Januar verletzt wurden, unterzeichneten letzte Woche ihren ersten richtigen Arbeitsvertrag. Moussa aus Burkina Faso, Yakouba und Godwin aus Guinea arbeiten nun für die Landwirtschaft-Kooperative Valle del Marro, die biologischen Anbau von Zitrusfrüchten, Gemüse und Oliven betreibt. „Ich bin seit knapp 3 Jahren in Italien und habe auf den Tomatenfeldern 12 Stunden täglich für 9 bis 12 € geschuftet. Häufig bezahlten sie uns am Tagesende auch überhaupt nicht und drohten stattdessen, die Carabinieri zu rufen, weil wir ohne Papiere waren. Geschlafen wurde im Freien oder in einer verlassenen Fabrikhalle“, erzählt Yakouba. Heute erscheint ihm ein Monatsgehalt von 900€ wie ein Geschenk des Himmels. Aber das ist nicht alles. Der Vertrag umfasst auch eine Unterkunft und ein paar Stunden Italienischunterricht.

„Wir halfen ihnen auch schon vorher, indem wir Essen und Decken in den Camps von Rosarno verteilten. Es war ein Akt der Barmherzigkeit, heute jedoch wird ihnen Gerechtigkeit zuteil. Die legale Arbeit gibt ihnen ihre Menschenwürde zurück“, so Giacomo Zappia, der Präsident der Kooperative. „Aber wir sind ihnen auch dankbar, weil sie den Mut hatten, sich gegen ihre Ausbeuter aufzulehnen. Das hat bisher niemand hier gewagt.“ Die Anstellung von drei Immigranten mag in Anbetracht der tausenden von Schwarzarbeitern in Süditalien nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein. Aber es ist zumindest ein Anfang.

An vorderster Front im Kampf gegen die Mafia steht hier seit Jahren die Kirche.

Quelle: http://www.liberainformazione.org/

Die Kooperative Valle del Marro wurde 2004 auf Initiative der Diözese von Oppido-Palmi und der bekannten Antimafia-Organisation Associazione Libera des Don Luigi Ciotti gegründet. Die von der italienischen Bischofskonferenz mitfinanzierte Kooperative kultiviert 60 Hektar Land in der Ebene von Gioia Tauro, das ihnen der Staat für 30 Jahre zur kostenlosen Nutzung überlassen hat. Ein wunderschönes und fruchtbares Stück Erde, das auf eine düstere Vergangenheit zurückblickt. Es handelt sich nämlich um vom italienischen Staat konfisziertes Land der Mafia.

Don Pino De Masi, Generalvikar der Diözese und „Ziehvater“ des Projekts, versucht seit Jahren in seinen Predigten, Konferenzen und Arbeitskreisen die Menschen vor Ort über den Sinn von Legalität und über die Kultur der Mafia aufzuklären. Leben nach dem Evangelium, Denunziation von kriminellen Methoden und Machenschaften und schließlich Verzicht auf Privilegien oder Diensten von Seiten unehrbarer Personen, seien die drei wichtigen Gebote im Kampf für ein neues Rechtsbewusstsein. „Es handelt sich um eine ‘Ndrangheta, die in Amsterdam Handel treibt, Rauschgift aus Kolumbien verschiebt und in der Mailänder Börse investiert, aber die keinen Millimeter von ihrer durch Riten konsolidierten historischen Verankerung in der eigenen Region abrückt, denn dort bezieht sie soziale Anerkennung. Und genau diese Anerkennung gilt es zu brechen.“

Don Pino lässt sich auch durch Bedrohungen und Vandalismus nicht einschüchtern. In den letzten Monaten wurden mehrfach Landwirtschaftsgeräte und das Auto des Vizepräsidenten gestohlen, der Olivenhain verwüstet und Umzäunungen beschädigt. Seine Beharrlichkeit findet allerdings auch Bewunderung unter den Einheimischen. Es ist vor allem die junge Generation, die sich gebannt um den mutigen Priester schart und die ihre unentgeltliche Hilfe in der Kooperative anbietet. Sie lieben ihr Land und möchten ihre Gesellschaft ändern.

Noch liegt ein langer Weg vor ihnen. Die Mühlen der Bürokratie mahlen sehr langsam, hinzu kommt nicht selten Obstruktion der örtlichen Politiker und Gemeinderäte. In ganz Italien gibt es unzählige, von der Mafia konfiszierten Ländereien und Immobilien, die darauf warten, einer neuen karitativen, kulturellen oder kommerziellen Bestimmung zugeführt zu werden. So sind zwischen der Enteignung eines Geländes des berüchtigten Clans Piromalli – mit ca. 400 Mitgliedern einer der einflussreichsten in Kalabrien – im Jahre 1984 und der Übertragung an die Pfarrgemeinde von Gioia Tauro 21 Jahre verstrichen.

Doch auch das schreckt Generalvikar Don Pino De Masi und Bischof Luciano Bux von Oppido-Palmi nicht ab. Nächsten Monat soll der Grundstein für die neue Kirche San Gaetano Catanoso gelegt werden. „Eine bessere Umwandlung dieser von der Kriminalität beschmutzten Erde kann man sich nicht wünschen. Für mich und meine Gemeinde hat sich das lange Warten gelohnt. Ein großartiger Tag“, strahlt Don Pasquale Galatà.