Ausstellung zur Apostolischen Bibliothek im Vatikan

ROM, 10. November 2010 (ZENIT.org).- Eine der begehrtesten Schätze des Vatikan ist die Apostolische Bibliothek. Einst von Papst Sixtus 1451 angelegt und stetig gewachsen, ist in ihren Räumen heute ein großer Teil abendländischen Kulturerbes verpackt. Mit ihren fast zwei Millionen Büchern und Manuskripten, Handschriften, Inkunabeln, Münzen und Medaillen gleicht sie im Ruhm der zerstörten Bibliothek von Alexandrien, der bedeutendsten Schriftensammlung aus dem Altertum.

Beim Rundgang durch die vatikanischen Sammlungen streift der Besucher gerade mal das Prunkstück des Musentempels, den prächtig freskierten Salone Sistino aus dem 16. Jahundert. Er diente bis um 1900 als Lesesaal, ist aber heute weitgehend leer geräumt. Dort darf man im vorderen Teil in Vitrinen wenige Manuskripte und Miniaturen bewundern. Aber das ist dann auch schon alles. So manchem Bücherliebhaber läuft hier das Wasser im Munde zusammen, ohne seinen Appetit je stillen zu können. Denn um zu den Werken in die eigentlichen Bibliotheksräume vorzudringen, muss man mit einem begründeten Forschungsprojekt einen zeitlich begrenzten Leseausweis beantragen. Also ausgeschlossen für den, der nicht zum auserwählten Gelehrtenkreis gehört.

Insofern darf die heute eingeweihte Ausstellung zu der Vatikanischen Bibliothek als ein außergewöhnlicher Leckerbissen bezeichnet werden. Die Pforten der „Apostolica“, wie sie kurz genannt wird, werden zwar nicht geöffnet – sie würde größere Besuchermassen nicht vertragen -, aber die virtuelle Nachstellung einiger Bibliotheksräume im Braccio di Carlo Magno, im linken Flügelbau des Petersplatzes, schafft hier Abhilfe.

Schon der Titel der Schau „Die Vatikanische Bibliothek kennenlernen: Eine Geschichte offen für die Zukunft“ verrät ein besonderes didaktisches Konzept. Nicht nur einzelne Highlights der Sammlung sollen dem Publikum gezeigt werden, sondern vor allem die Bibliothek als Ort des Studiums und der Arbeit, sprich als lebendiges Gebilde.

„Die Ausstellung möchte nicht nur die Bibliothek denjenigen bekannt machen, die sonst nicht das Privileg ihrer Benutzer besitzen, sondern vor allem an seinen Alltagsbetrieb heranführen“, betont Kardinal Raffaele Farina, Bibliothekar und Archivar der Heiligen Römischen Kirche, auf der gestrigen Pressekonferenz im Vatikan. „Bücher sind tot ohne Leser… Erst durch den Leser werden sie zum Leben erweckt und treten mit diesem in einen Dialog…“

Die Schau bemüht sich daher, mithilfe von virtuellen Rekonstruktionen die Atmosphäre des uralten Büchertempels zu vermitteln. Daneben soll auch ein Einblick in die konkrete Arbeitswelt des Bibliothekspersonals gewährt werden. Präsentiert werden sieben Themenkreise: Geschichte der Bibliothek, Manuskripte, Bücher, Drucke und Zeichnungen, Numismatik, Verwaltung der Werke und Bibliotheksservice sowie Buchrestaurierung. Der Besucher kann zwischenzeitlich in die Rolle des Lesers „schlüpfen“ und mit weißen Schutzhandschuhen bewaffnet vorsichtig in wertvollen Inkunabeln (Faksimile) blättern, während geschultes Personal Antwort und Rede steht. Besondere Attraktion ist ein kleines Labor, in dem die verschiedenen Techniken der Konservierung und Restaurierung von Büchern und Handschriften live vorgeführt werden.

Eine multimediale Nachbildung des berühmten Salone Sistino erläutert das prächtige Freskenprogramm des früheren Lesesaals. Er soll in näherer Zukunft wieder seiner alten Bestimmung zugeführt und in das Bibliotheksareal aufgenommen werden.

Unter den ausgestellten Highlights befindet sich ein Original der Bodmer Papyri aus dem frühen 3. Jahrhundert, das 2006 Papst Benedikt XVI. von der Stiftung Sally and Frank Hanna Family geschenkt wurde. Es ist eines der ältesten Manuskripte des Lukasevangeliums. Besonders wertvoll sind die frühmittelalterliche Marien-Homilie (7. Jh.) und eine Bibelabschrift des 10. Jahrhunderts. Außerdem sind Handschriften von Michelangelo und Martin Luther, Blätter aus dem Petrarca-Codex und Illustrationen von Botticelli zur Dantes Göttlichen Komödie zu bewundern.

Den entscheidenden Impuls für diese Promotion und Präsentation gab die Wiedereröffnung der Vatikanischen Bibliothek am 20. September nach einer dreijährigen Restaurierung und Modernisierung (Zenit berichtete http://www.zenit.org/article-21348?l=german).

Die Ausstellung ist bis zum 31. Januar 2011 geöffnet. Nach Angaben des römischen Pilgerwerkes sind bislang 15.000 Eintrittskarten reserviert worden.

Ausstellung: „Conoscere la Bibliotheca Vaticana: Una storia aperta al futuro“, Braccio di Carlo Magno (Petersplatz), Öffnungszeiten, So bis Do: 9.30 bis 21 Uhr, Fr und Sa 10 bis 21.30 Uhr, Eintritt 7 Euro, Audioguide in deutscher Sprache. Weitere Informationen und Kartenvorbestellung unter: www.orpnet.org