Kindersegen garantiert

Die wundertätige Madonna del Parto in der Augustinerkirche in Rom

ROM, 5. Februar 2010 (ZENIT.org).- Wer hat nicht nach einem Besuch des Petersdoms die lange Schlange vor der uralten bronzenen Sitzfigur des Petrus in Erinnerung? Dem Apostelfürsten machen täglich hunderte von Touristen aller Nationen und Religionen ihre Aufwartung. Allerdings besteht diese vornehmlich darin, sich mit der Hand auf dem mittlerweile zu einer blanken Platte reduzierten Fuß für ein Souvenirfoto ablichten zu lassen. Einst war das Niederknien vor der Statue und der Fußkuss Zeichen höchster Ehrenbezeugung, heute hingegen sind sie zu einer sinnentleerten Geste, einem Touristengag verknappt.

Wenn man noch eine authentische Veneration erleben möchte, vielleicht eine der letzten im säkularisierten Rom, muss man abseits des Touristenstroms die stillen Altstadtgassen zwischen Tiber und Pantheon aufsuchen, wo die Basilika Sant’Agostino liegt. Die überlebensgroße marmorne Sitzfigur der Maria mit dem Christuskind von Jacopo Sansovino (1486-1570) steht gleich rechts hinter dem Eingangsportal in einer Nische. Der Fuß der Madonna ist von den vielen Küssen und Berührungen vergangener Jahrhunderte ganz abgenutzt, so dass man ihn mit einer edlen Silberumhüllung geschützt hat. Die Abnutzungsspuren sind jedoch nicht das Ergebnis einer allgemeinen Ehrerbietung der Gottesmutter, sondern von freudige Danksagungen nach dem Eintreten von „Wundern“. Es ist die dem Madonnenstandbild zugeschriebene Wundertätigkeit, die es aus dem Meer der verehrten Heiligenbilder der Stadt heraushebt.

Alles rund um’s Kind

Nicht umsonst heißt sie die Madonna del Parto, Madonna von der Geburt: Dass es rund um’s Kind geht, ist aufgrund der unzähligen Votivgaben, die die Statue umgeben, nicht zu übersehen. Seit zwei Jahrhunderten wird sie als Beschützerin der Gebärenden und der Neugeborenen angerufen. Die Kirchenrückwand ist regelrecht bespickt mit Tüllschleifen und Babylätzchen in allen Formen und Größen: rosa für ein Mädchen und hellblau für einen Buben. Es ist in Italien üblich, die Schleifen bei Geburt eines Kindes an die Haustür zu heften. In diesem Fall brachte man das sichtbare Zeichen der frohen Botschaft direkt zur Gottesmutter, um sich für das Wunder zu bedanken.

Aber es gibt auch kostbare Votive aus Silber, zumeist in Form kleiner Herzen. Die ältesten stammen aus der Barockzeit und sind durch große Glasrahmen geschützt. Die wertvollen Silberherzen waren vor allem bis Mitte des 20. Jahrhunderts als Weihgeschenke in Mode und werden für so manchen mittellosen Gläubigen ein finanzielles Opfer bedeutet haben. Aber für die Madonna war offenbar nichts zu teuer. Wenn man bedenkt, dass noch bis vor den Zweiten Weltkrieg die Frauen durchschnittlich sechs Kinder zur Welt brachten und auch zwölf Kinder keine Seltenheit waren, wird einem die damalige zentrale Rolle der Schwangerschaft und Geburt im Leben der Frau bewusst. Und diese konnten sowohl für Mutter als auch Kind zu einem lebensbedrohlichen Moment werden. Die vielen Votive belegen nicht nur den glücklichen Ausgang, sondern lassen auch die Ängste und Hoffnungen ahnen, die die werdenden Mütter der Madonna in intimen Gebeten anvertraut haben.

Im Hinblick auf die Fortschritte der modernen Medizin könnte man annehmen, dass sich heute der Appell der Schwangeren vielmehr an den Gynäkologen als an Maria richte. Führt man nun auch noch die aktuelle Geburtenrate in Italien vor Augen – die weltweit zu den niedrigsten gehört – verwundert die Kontinuität der Veneration der steinernen Madonna in dieser Kirche umso mehr. Ihre Anrufung ist aktueller denn je! Der Glaube dieser Pilgerinnen also scheint nicht erst dort zu beginnen, wo die Medizin aufhört, sondern rührt zweifellos in einem tief verwurzelten Gottvertrauen: Die Gewissheit, von Gott auf allen Lebenspfaden geleitet zu werden und nie seinen Beistand, Trost und Schutz missen zu müssen.

Inzwischen hat sich der Verehrungskreis der Marienstatue auch geographisch erweitert. Nicht nur aus der Umgebung, aus ganz Italien reisen Frauen an, um an die Madonna ihren innigsten Wunsch heranzutragen. Das bezeugen neben den Babyschleifen an der Wand vor allem das Album auf dem Lesepult, das vor der Statue öffentlich ausliegt. Bernardino Pinciaroli, Augustinerpater und Pfarrer der Kirche, lässt einen gerne darin blättern. Er verwaltet auch die vollen Alben in der Sakristei. Die dicht an dicht eingefügten Fotos mit zerknautschten Neugeborenen und speckigen Babys in Taufkleidchen, die Widmungen, Danksagungen und Fürbitten gewähren einen rührenden Einblick in Freude und Leid der Frauen unserer Zeit. Neben Müttern und Schwangeren wenden sich heute auffallend viele Frauen mit Kinderwunsch an die Gottesmutter. Kinderlosigkeit scheint immer mehr zur Geißel der reichen Industriegesellschaften zu werden. Da liest man von Francesca aus Ariccia, dass sie nach vielen Jahren vergeblichen Versuche künstlicher Befruchtung nun endlich auf natürlichen Weg schwanger geworden ist. Wie zum Beweis für das göttliche Wunder hat sie die Ultraschallaufnahmen vom Kind ins Album geklebt. Die Madonna schenkte Lucia Zwillinge, zwei stattliche Mädchen, und Erica nach acht Jahren endlich einen kleinen Sohn, der auf dem Foto als Nackedei in der Badewanne präsentiert wird. Sorgen und Nöte der Kinderaufzucht zeigen hingegen die Bilder von kranken und behinderten Kinder, die die Eltern dem Schutz Mariens anvertrauen.

Der florentinischen Bildhauer Jacopo Sansovino, ein Zeitgenosse Michelangelos, hat die Statuengruppe 1518 im Auftrag der Augustiner gemeißelt. An den Einfluss Michelangelo erinnert auch die Komposition mit dem sich hochreckenden, gedrehten Jesuskind auf dem Schoß. Es ist keine mitleidige oder besinnliche Maria dargestellt. Vielmehr zeigt sie sich als über die Mutterschaft glückliche und stolze Frau in einem, an klassische antike Vorbilder anknüpfendem üppigen Gewand, das unter der Brust gegürtet ist. Eine geradezu weltlicher Darstellungstyp. Die Skulptur wurde schnell Gegenstand von Volksfrömmigkeit. Ihre Wundertätigkeit bei Geburten ist vor allem seit 1820 belegt. Damals stellte ein junger Arbeiter der Madonna eine Tag und Nacht brennende Lampe auf und bat inständig um Rettung seiner in den Wehen liegenden Frau, die bereits von den Ärzten aufgegebenen war. Als sowohl Mutter als auch Sohn die schwierige Steißgeburt überlebten, sprach sich das „Wunder“ herum und die Verehrung der Marienfigur bekam Auftrieb, der bis in diese Tage anhält.