Und es wurde Licht

Deutsche Firma Osram sorgt mit 7000 LEDs für neue Beleuchtung in der Sixtinischen Kapelle

Wer schon einmal die Sixtina betreten hat, für viele der Höhepunkt einer Romreise, wird sich an das leise Gefühl der Enttäuschung erinnern: Die viel besungene Farbenpracht des komplett freskierten Raums ist in dem künstlichen Schummerlicht nur mühselig wahrzunehmen. Das Auge versucht angestrengt Details der figurenreichen Szenen von Michelangelos Jüngstem Gericht und der Genesis zu erkennen. In der Tat schützen dicke Vorhänge vor den Fenstern die empfindlichen Farbpigmente vor Ausbleichung durch UV-Strahlung.

Damit ist nun Schluss. Gestern Abend wurde ein neues Beleuchtungssystem eingeweiht und der Presse vorgeführt. 7000 Leds, die in 60 Leuchten montiert wurden, verhelfen nun den Fresken zu neuer Würdigung und zu neuem Glanz. Zum 450. Todesjahr von Michelangelo (1475-1564) sollen diese die natürlichen Lichtverhältnisse imitieren, wie sie der Universalkünstler damals vorgefunden hat. Ihre Leuchtkraft ist zehnmal stärker als die der alten!

„Mit der erhöhten Helligkeit sind dann auch die Farben exzellent zu erkennen“, sagt Projektleiter Reuter. Der frühere Vorwurf, die energiesparenden Lumineszenz-Diode erzeugen ein kaltes Licht, ist schon lange nicht mehr haltbar. Osram, die frühere Siemens-Tochter, hat zuvor für das Münchner Lehnbachhaus ein spezielles, viel beachtetes Beleuchtungssystem entwickelt. Dort variiert die Lichttemperatur je nach Epoche der ausgestellten Werke. Die Lichttechnik für die Sixtina soll den neuesten Fortschritt unter Beweis stellen: sie kann sowohl einzelne Wände, wie zum Beispiel die Altarseite mit dem Fresko des Jüngsten Gerichts (1536-41) und Details in den Blickpunkt rücken, als auch die gesamte Kapelle durch unterschiedliche Lichtpegel erstrahlen lassen.

„Wir möchten jedoch keine künstlichen Akzente durch imitiertes Kerzenlicht setzen, sondern das natürliche Licht des Himmels nachempfinden, betont Prof. Antonio Paolucci, der Direktor der vatikanischen Museen. Die Möglichkeit einer „Lichtshow“ bleibt besonderen Anlässen, wie zum Beispiel Sonderführungen, Konzerte, Messen und dem Konklave, vorbehalten. Die Lampen sind versteckt montiert, so dass der Betrachter nicht mehr geblendet wird. Somit kann man erstmals die Farbenpracht auch der älteren Fresken bewundern, die entlang der Seitenwände von Botticelli, Perugino, Ghirlandaio und anderen Meistern des Quattrocento ausgeführt wurden. Bevor Michelangelo 1508 den Auftrag der Deckenausmalung von Julius II. bekam, waren die Darstellungen der Szenen aus dem Leben von Moses und Jesus der einzige figürliche Schmuck. Bisher lagen sie im „Schatten“ und konnten nicht entsprechend studiert werden.

Die Münchner Firma Osram hat 2011 den EU-Wettbewerb LED4Art gewonnen und das Projekt mit drei Partnern entwickelt: die ungarische Universität Pannonia, Fabertecnica in Italien und das spanische l’Institut de Recerca en Energia de Catalunya. Das ca. 1,9 Mio teure Unternehmen wurde mit 870.000 Euro von der EU mitfinanziert. Ziel der Union war mithilfe eines Highlights der Kunstgeschichte auf die technischen Errungenschaften der energiesparenden LEDs aufmerksam zu machen. Es soll als Modell der Zukunft dienen, denn die Energieersparnis ist beachtenswert. Sie beträgt bei normaler „Tagesbeleuchtung“ während der Museumsöffnungszeiten mindestens 60 Prozent, im Fall von einer besonderen Beleuchtung für Konzerte und Messen sollen es laut Osram sogar 90 Prozent Ersparnis sein.

Die schadlose Kunstbeleuchtung garantiert außerdem eine bessere Konservierung der Fresken. Um diese noch zu steigern, war ein neues Belüftungssystem und Klimaanlage notwendig. Denn die Ausdünstungen der bis zu 20.000 Besucher pro Tag war von der alten Anlage nicht mehr zu bewältigen. Weil der Raum durch die LEDs weniger erhitzt wird, muss auch die Klimaanlage jetzt weniger arbeiten, eine zusätzliche Energiereduktion. “Es sind die Fresken von Michelangelo und der anderen großen Meister, die uns für diese neue Anlage danken werden”, sagt Paolucci abschließend.

Aus dem Anlass findet im benachbarten Auditorium von Santa Cecilia der zweitägige wissenschaftlicher Kongress „Die Sixtinische Kapelle zwanzig Jahre danach – Neuer Atem, neues Licht“ statt, auf dem die Beleuchtungstechnik im Detail erläutert und ein Ausblick in die Zukunft gegeben wird.